Eine Kernaufgabe eines Nachlasspflegers besteht darin, die Vermögensinteressen der noch festzustellenden Erben zu wahren und den Nachlass zu sichern. Inwieweit der Nachlasspfleger bei einer risikobehafteten Kapitalanlage (z.B. bei einem Aktiendepot) die Notwendigkeit überprüfen muss, dieses Kapital eventuell anderweitig zu sichern, klärt das folgende Urteil des Oberlandesgerichts Braunschweig (OLG).

Im hier aktuellen Fall hatte der Nachlasspfleger beim Nachlassgericht eine Genehmigung zur Auflösung eines Aktiendepots des Erblassers beantragt. Neben dem Aktiendepot verfügte der Erblasser noch über Immobilienvermögen sowie Geldvermögen auf Giro- bzw. Sparkonten. Gestützt wurde der Antrag im Wesentlichen auf eine Mitteilung der kontoführenden Bank an den Erblasser, indem ein Verkauf des Aktiendepots angeraten wurde. Der Nachlasspfleger war der Ansicht, dass durch Kursschwankungen der Depotwert negativ beeinflusst werden könne, weshalb eine mündelsichere Anlage gewählt werden sollte. Tatsächlich hatte sich der Depotwert allerdings sogar positiv entwickelt. Dem Antrag hat daher sowohl das Nachlassgericht als auch das OLG nicht stattgegeben.

Es besteht keine generelle Pflicht zur Umschichtung von (sogenannten) nicht mündelsicheren Kapitalanlagen. Vielmehr müssen der Gesamtbestand und die Gesamtzusammensetzung des Nachlasses berücksichtigt werden. Auch eine risikobehaftete Anlageform muss keineswegs per se abgestoßen werden, wenn das bestehende Risiko im Hinblick auf den Nachlass im Übrigen und bei wirtschaftlicher Betrachtung vertretbar erscheint. Es ist jeweils im Einzelfall und nur unter Würdigung aller Vermögenspositionen zu beantworten, ob im Nachlass nach Kapitalanlagekriterien (der "effektiven Vermögensverwaltung") ein nicht mehr hinnehmbares Risiko vorhanden ist.

Hinweis: Eine Ausnahme gilt für solche Anlageformen, die aus sich heraus mit einer - auf die Mitwirkung des Nachlassgerichts angewiesenen und daher notwendigerweise in gewissem Maße zeitlich unflexiblen - Verwaltung durch einen Nachlasspfleger unvereinbar sind und deshalb umgeschichtet werden können (etwa bei Termin- und Optionsgeschäften oder Derivaten).


Quelle: OLG Braunschweig, Beschl. v. 20.04.2020 - 3 W 37/20
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 06/2020)