Ist die Verjährung von Ansprüchen erst einmal eingetreten, können diese zumeist nicht mehr erfolgreich durchgesetzt werden. So unterliegen auch Pflichtteilsansprüche einer Verjährungsfrist von drei Jahren. Ob einem Mann, der als Vormund seiner Schwester auf die Inanspruchnahme solcher Ansprüche in ihrem Namen verzichtet hatte, damit eine rote Linie überschritten hat, musste auf Drängen eines Sozialhilfeträgers das Oberlandesgericht Hamm (OLG) klären.

In dem Rechtsstreit ging es um Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche, die ein Sozialhilfeträger gegenüber dem Bruder der Leistungsempfängerin geltend gemacht hat. Die Leistungsempfängerin war aufgrund einer schweren intellektuellen Behinderung geschäftsunfähig. Bis zu seinem Tod war der Vater rechtlicher Betreuer seiner Tochter. Dieser hatte 1987 zwei Immobilien auf seinen Sohn unentgeltlich übertragen sowie sich und seiner Frau ein Wohnungsrecht an einer Immobilie einräumen lassen. Als der Mann 1989 verstarb, wurde die Ehefrau zur Alleinerbin. Ab 1990 war der Bruder rechtlicher Betreuer seiner Schwester. Pflichtteils- oder Pflichtteilsergänzungsansprüche hatte der Bruder in seiner Eigenschaft als Betreuer zu keinem Zeitpunkt geltend gemacht. Nach dem Tod der Mutter leitete der Sozialhilfeträger 2017 Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche der Schwester auf sich über. Am OLG war es nun, sich mit der Frage zu beschäftigen, ob Ansprüche des Sozialhilfeträgers zwischenzeitlich zu Recht verjährt waren.

Grundsätzlich beginnt die Verjährung in dem Zeitpunkt, in dem der Pflichtteilsberechtigte von dem Eintritt des Erbfalls und von der ihn beeinträchtigenden Verfügung Kenntnis erlangt hat. Da der Bruder als gesetzlicher Vertreter bestellt war, war auf dessen Kenntnis abzustellen, so dass das Gericht zu dem Ergebnis kam, dass ein solcher Anspruch zwischenzeitlich verjährt war. Dabei war es laut Ansicht des OLG eine nicht zu beanstandende Entscheidung des Bruders, Pflichtteils- oder Pflichtteilsergänzungsansprüche zunächst gegen die Mutter als Alleinerbin und später gegen sich selbst nicht geltend zu machen. Der Vormund ist nicht daran gehindert, von der Erhebung einer Klage bzw. der Stellung eines verfahrenseinleitenden Antrags im Namen des Mündels gegen sich selbst oder einen seiner Angehörigen abzusehen.

Hinweis: Die Einrede der Verjährung muss aktiv geltend gemacht werden und wird durch das Gericht nicht von Amts wegen berücksichtigt. Ist der Betreuer selbst eventuell dazu verpflichtet, Pflichtteilsansprüche auszugleichen, besteht die Möglichkeit, dass das Vormundschaftsgericht für die Berechtigte einen Ergänzungsbetreuer bestellt.


Quelle: OLG Hamm, Urt. v. 22.12.2020 - 10 U 103/19
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 04/2021)