Dass mit einer Suizidgefahr nicht zu scherzen ist, haben auch Vermieter bereits gerichtlich lernen müssen, wenn es um Eigenbedarfsansprüche geht. Nicht ohne Grund gehört die Androhnung des Freitods bei Verlustangst der eigenen vier Wände zu jenen Härtegründen, die einen Auszug verhindern können. Ob dieser Grund dadurch zunichte gemacht wird, wenn der betreffende Mieter eine angemesse Ersatzwohnung ablehnt, musste final der Bundesgerichtshof (BGH) entscheiden.

Eine 80-jährige Mieterin bewohnte seit 1977 eine Zwei-Zimmer-Wohnung in Köln. Die monatliche Gesamtmiete betrug 388 EUR. Der Vermieter hatte die Wohnung wegen Eigenbedarfs gekündigt: Er wolle die Wohnung für sich und seinen Lebenspartner nutzen und sie mit der von ihnen bereits genutzten Wohnung zusammenlegen. Dadurch sollte eine Wohnung mit insgesamt knapp 200 m² entstehen. Die Mieterin widersprach der Kündigung und machte Härtegründe geltend. Sie leide unter anderem an schwerer rezidivierender Depression bis hin zu Suizidtendenzen. Daraufhin bot der Vermieter der Beklagten die Anmietung einer anderen Wohnung im Haus zu einer Kaltmiete von rund 356 EUR als Alternative an. Dieses Angebot nahm die Mieterin jedoch nicht an. Schließlich erhob der Vermieter eine Räumungsklage. Diese wurde abgewiesen und die Fortsetzung des Mietverhältnisses auf unbestimmte Zeit allerdings unter Erhöhung der Nettokaltmiete ausgesprochen. Dagegen ging der Vermieter in Revision zum BGH.

Doch der BGH bestätigte, dass für den Fall der Räumung die Gefahr eines Suizids der Mieterin bestand. Sie war aufgrund ihrer völligen Fixierung auf ihre Wohnung krankheitsbedingt nicht in der Lage, die angebotene Ersatzwohnung anzunehmen. Dieses Ergebnis ändere sich auch nicht dadurch, dass die Mieterin eine Therapie abgelehnt habe. Dieser Umstand ist im Rahmen der umfassenden Würdigung der Gesamtumstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, bei der auch die Gründe für die Ablehnung - etwa eine krankheitsbedingt fehlende Einsichtsfähigkeit in eine Therapiebedürftigkeit - sowie die Erfolgsaussichten einer Therapie zu bewerten sind. Somit begegnete die Würdigung der Vorinstanzen, dass das Angebot und die Ablehnung der Ersatzwohnung den Härtegrund weder entfallen lässt noch dieser dadurch im Rahmen der Interessenabwägung weniger Gewicht erhält, keinen rechtlichen Bedenken.

Hinweis: Auch Vermieter haben es nicht immer leicht. Obwohl die gesetzlichen Voraussetzungen für die Räumung einer Wohnung vielleicht vorliegen, müssen Mieter die Wohnung trotzdem nicht verlassen, wenn ein sogenannter Härtegrund vorliegt. Mieter müssen einen entsprechenden Antrag rechtzeitig im Gerichtsverfahren stellen.


Quelle: BGH, Urt. v. 26.10.2022 - VIII ZR 390/21
zum Thema: Mietrecht

(aus: Ausgabe 02/2023)