Entgegen der landläufigen Meinung gibt es in Deutschland keine allgemeine, sondern nur eine sogenannte situative Winterreifenpflicht. Die "O-bis-O"-Regel, dass von Oktober an bis Ostern Winterreifen an alle vier Räder gehören, gilt daher nur als Faustformel, um gut gerüstet zu sein. Dass sich Autovermieter hier auf die sichere Seite begeben, ist mehr als verständlich. Im Fall einer Ersatzwagenbeschaffung kann dies laut Amtsgericht Frankfurt am Main (AG) jedoch zum Nachteil eines unverschuldet Geschädigten ausfallen, sobald sich am eigenen (verunfallten) Fahrzeug keine Winterreifen befanden.

Der Kläger erlitt einen unverschuldeten Unfall. Für den Zeitraum der Reparatur mietete er daraufhin einen Ersatzwagen an. Dieser war - wie auch alle anderen Mietwagen - in der Winterzeit mit entsprechenden Winterreifen ausgestattet, was zu höheren Mietkosten als im Sommer führte. Der Geschädigte verwies darauf, dass er kein anderes Fahrzeug habe anmieten können, und verlangte folglich diesen Mehraufwand von der Versicherung des Unfallverursachers ersetzt. Die Versicherung verweigerte jedoch die Begleichung dieser Mehrkosten und wies ihrerseits darauf hin, dass das verunfallte Fahrzeug nicht mit Winterreifen ausgestattet gewesen sei.

Das AG wies die Klage ab. Zwar seien Mietwagenkosten grundsätzlich erstattungsfähig. Es sei auch nicht unüblich, dass Mietfahrzeuge im Winter mit Winterreifen ausgestattet würden, da eine situative Winterreifenpflicht bestehe. Dafür würden laut Schwacke-Liste auch gesonderte Kosten erhoben. Der Geschädigte habe hier aber nicht nachgewiesen, dass auch sein verunfalltes Fahrzeug Winterreifen gehabt habe. Wenn keine Winterreifen vorhanden waren, wäre der Geschädigte mit der verlangten Zahlung bessergestellt als vor dem Unfall. Das müsse die Versicherung nicht bezahlen.

Hinweis: Nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung kann der Geschädigte nach § 249 Abs. 2 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Der Geschädigte ist dabei angehalten, den möglichst wirtschaftlichsten Weg der Schadensbehebung zu wählen. Dementsprechend können Kosten für Winterreifen nicht generell als ersatzfähig angesehen werden. Der Geschädigte muss daher nachweisen, dass er auch für das verunfallte Fahrzeug Winterreifen hatte.


Quelle: AG Frankfurt am Main, Urt. v. 15.12.2021 - 31 C 5116/20 (17)
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 03/2022)