Der VW-Dieselskandal beschäftigt die Gerichte nach wie vor. Nun war es erneut am Bundesgerichtshof (BGH), über die Urteile der Vorinstanzen zu befinden. Die Frage war zum einen, ob die Behauptung, der Einsatz illegaler Abschalteinrichtungen sei auf Vorstandsebene bzw. durch einen Vertreter getroffen oder zumindest gebilligt worden, genügt, um eine Haftung der Volkswagen AG zu ermöglichen. Zum anderen stand die Frage im Raum, ob ein extra entwickeltes Softwareupdate Schadensersatzansprüche entfallen ließ.

2013 erwarb ein Käufer von einem Autohaus einen gebrauchten VW Tiguan, der mit einem Dieselmotor des Typs EA 189 ausgestattet ist. VW entwickelte daraufhin ein Softwareupdate, das das Kraftfahrzeugbundesamt als geeignet zur Herstellung der Vorschriftsmäßigkeit auch des hier streitgegenständlichen Fahrzeugtyps ansah. Der Käufer ließ das Softwareupdate im Februar 2017 zwar durchführen, begehrte aber mit einer Klage den Ersatz des für das Fahrzeug gezahlten Kaufpreises - Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs. Das Landgericht Braunschweig hat die Klage abgewiesen, und auch die Berufung des Käufers beim ebenso in Braunschweig gelegenen Oberlandesgericht (OLG) hatte keinen Erfolg. Denn nach desses Auffassung als Berufungsgericht stünden dem Kläger Schadensersatzansprüche gegen VW nicht zu, weil dieser nicht schlüssig dargelegt habe, welche konkrete Person aus dem in Betracht kommenden Täterkreis (Vorstand, leitende Angestellte) den Betrugstatbestand verwirklicht bzw. ihn vorsätzlich sittenwidrig geschädigt habe.

Der BGH hat das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Das OLG hatte nämlich rechtsfehlerhaft vom Käufer einen näheren Vortrag dazu verlangt, welche konkrete bei VW tätige Person für den Einsatz der illegalen Abschalteinrichtung verantwortlich sei. Schließlich betreffe die Entscheidung über den Einsatz der Abschalteinrichtung die grundlegende strategische Frage, mithilfe welcher technischen Lösung VW die Einhaltung der - im Verhältnis zu dem zuvor geltenden Recht strengeren - Stickoxidgrenzwerte der Euro-5-Norm sicherstellen wollte. Vor diesem Hintergrund genügte die Behauptung, die Entscheidung sei auf Vorstandsebene oder jedenfalls durch einen verfassungsmäßig berufenen Vertreter getroffen oder zumindest gebilligt worden.

Hinweis: Der BGH weist zudem darauf hin, dass ein Schadensersatzanspruch des Käufers nicht dadurch entfallen ist, dass dieser das von VW entwickelte Softwareupdate durchgeführt hat. Liegt der Schaden in einem unter Verletzung des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts des Käufers sittenwidrig herbeigeführten ungewollten Vertragsschluss, entfällt dieser Schaden nicht dadurch, dass sich der Wert oder Zustand des Vertragsgegenstands nachträglich verändert.


Quelle: BGH, Urt. v. 30.07.2020 - VI ZR 367/19
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 10/2020)