In einem gerichtlichen Streit über Pflichtteilsansprüche musste sich das Oberlandesgericht Hamm (OLG) mit der Frage auseinandersetzen, ob ein notariell beurkundeter Vertrag zur Aufhebung eines Erbverzichts vor dem Hintergrund wirksam war, dass der Erblasser zum Zeitpunkt der Beurkundung möglicherweise nicht mehr geschäftsfähig war, und ob zur Klärung dieser Frage der Notar als Zeuge angehört werden müsse.

Der Erblasser und der Kläger hatten im Jahr 1996 einen notariellen Vertrag geschlossen, in dem der Kläger auf sein gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht verzichtete. In der Zeit zwischen 2003 und 2009 fanden verschiedene medizinische Untersuchungen statt, bei denen bei dem Erblasser zuletzt eine leichte bis mittelgradige Demenz aufgrund einer Alzheimer-Erkrankung festgestellt wurde. Im August 2009 ließen der Erblasser und der Kläger durch eine notarielle Urkunde die Aufhebung des Erbverzichtsvertrags aus dem Jahr 1996 beurkunden. Nach dem Tod des Erblassers im Jahr 2017 entstand ein Streit darüber, ob der Erblasser zum Zeitpunkt der Beurkundung im August 2009 noch geschäftsfähig gewesen sei. Der Kläger berief sich insbesondere darauf, dass sich der beurkundende Notar von der Geschäftsfähigkeit des Erblassers überzeugt habe und dieser - wenn er Zweifel gehabt hätte - eine Beurkundung nicht hätte vornehmen dürfen.

Dieser zuerst logisch erscheinenden Begründung ist das OLG jedoch nicht gefolgt. Geschäftsunfähig sei, wer sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befinde, sofern dieser Zustand jedenfalls nicht nur vorübergehend sei. Das Gericht war der Ansicht, dass der Beklagte den Nachweis der fehlenden Geschäftsfähigkeit führen konnte. Insbesondere hat das Gericht eine Vernehmung des beurkundenden Notars als Zeugen deshalb abgelehnt, weil dieser nicht über die notwendigen medizinischen Kenntnisse verfüge, um die Frage der Geschäftsunfähigkeit beantworten zu können. Allein eine Berufserfahrung als Notar reiche hierfür nicht aus.

Hinweis: Problematisch war hier insbesondere noch, dass die notarielle Urkunde keinerlei Hinweise darauf enthielt, dass der Notar sich überhaupt einen Eindruck von der Geschäftsfähigkeit der handelnden Personen gemacht hatte. Steht die Frage der Geschäftsunfähigkeit im Rahmen einer notariellen Beurkundung im Raum, ist bei der Erstellung der Urkunde zwingend auf eine entsprechende Erklärung zu achten, dass und wie sich der Notar einen Eindruck von der Geschäftsfähigkeit gemacht hat.

Quell: OLG Hamm, Urt. v. 13.07.2021 - 10 U 5/20

zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 11/2021)