Das folgende Urteil beweist, dass Gerichte bei weitem nicht so lebensfern urteilen, wie es gern behauptet wird. In diesem Fall war es am Amtsgericht Karlsruhe (AG), die Umstände zu bewerten, die zuerst zu einem Rotlichtverstoß und schließlich den Fahrzeugführer zu Gericht führte.

Der Autofahrer befuhr eine innerörtliche Straße. Als er auf zwei Ampelanlagen zusteuerte, überfuhr er die erste bei Rotlicht und hielt sodann an der zweiten Ampel, die ebenfalls Rot zeigte. Doch bereits an der ersten Ampel war er geblitzt worden, so dass er einen Bußgeldbescheid mit einem Bußgeld von 200 EUR, zwei Punkten in Flensburg und einem Monat Fahrverbot erhielt. Dagegen legte er Einspruch ein und argumentierte, dass er das erste Rotlicht gar nicht wahrgenommen hatte, da er sich auf die zweite dicht dahinterliegende Ampel konzentrierte und dabei wohl die erste Ampel übersehen habe.

Das AG gab dem Betroffenen Recht und sah vom Fahrverbot ab - unter der Bedingung, das Bußgeld auf 300 EUR anzuheben. Seine Entscheidung begründete das Gericht damit, dass hier eine Besonderheit bei Aufstellung der Ampelanlagen gegeben sei. Die Ampeln seien sehr dicht hintereinander aufgestellt, so dass es gerichtsbekanntermaßen überdurchschnittlich oft vorkomme, dass die erste Ampel bei Rot überfahren werde, obwohl das Rotlicht schon länger leuchtet. So sei es auch hier der Fall gewesen. Der ortsunkundige Fahrer habe sich auf die zweite Ampel konzentriert und dabei die erste Ampel übersehen.

Hinweis: Das Gericht geht in seiner Entscheidung davon aus, das ein sogenanntes Augenblicksversagen vorlag. Der Ausdruck Augenblicksversagen beschreibt den Umstand, dass der Handelnde für eine kurze Zeit die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hat. Ein Augenblicksversagen kann der Ahndung einer Ordnungswidrigkeit als grobe oder beharrliche Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers entgegenstehen - mit der Folge, dass von der Verhängung eines Fahrverbots abgesehen wird. Dann wird die Geldbuße aber regelmäßig erhöht.


Quelle: AG Karlsruhe, Urt. v. 18.05.2021 - 9 OWi 100 Js 11152/21
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 11/2021)