Das Oberlandesgericht München (OLG) musste sich im Folgenden mit der Frage beschäftigen, ob die Anordnung einer Nachlasspflegschaft rechtmäßig ist, wenn das Nachlassgericht zuvor bereits auf Antrag einen gemeinschaftlichen Erbschein erteilt hat und später Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Testaments entstanden sind. Im konkreten Fall wurde behauptet, dass der Erblasser das Testament nicht eigenhändig erstellt habe.

Die Anordnung einer Nachlasspflegschaft kommt in Betracht, wenn ein Erbe unbekannt ist. Dies ist zum Beispiel dann anzunehmen, wenn ein Erbe aus einem Kreis von möglichen Personen ohne umfängliche Ermittlungen nicht festgestellt werden kann. Gesetzlich wird vermutet, dass ein Erbe dann zumindest nicht unbekannt sein kann, sobald ein Erbschein erteilt worden ist. Aber auch in einem solchen Fall kann ein Erbe als unbekannt gelten, wenn ein begründeter Antrag auf Einziehung des Erbscheins vorliegt.

Im Ergebnis bedeutet dies in den Augen des OLG, dass das Nachlassgericht vor Anordnung einer Nachlasspflegschaft zu prüfen habe, ob der bereits erteilte Erbschein wegen Unrichtigkeit einzuziehen wäre. Hierfür ist aber erforderlich, dass die Voraussetzungen für die Erteilung eines Erbscheins nicht gegeben sind. Bloße Zweifel an der Richtigkeit des Erbscheins reichen nicht aus, um eine Einziehung zu rechtfertigen.

Hinweis: Im konkreten Fall ist das OLG davon ausgegangen, dass die vorgebrachten Einwendungen, das Testament sei durch den Erblasser nicht ordnungsgemäß erstellt worden bzw. dieser sei zum Zeitpunkt der Errichtung nicht mehr testierfähig gewesen, nicht ausreichend waren, um die Richtigkeit der Erteilung des Erbscheins zu erschüttern. Aus diesem Grund kam die Anordnung einer Nachlasspflegschaft nicht in Betracht.


Quelle: OLG München, Beschl. v. 18.06.2020 - 31 Wx 553/19
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 08/2020)