Auch der folgende Fall des Bundesgerichtshofs (BGH) dreht sich um den Abgasskandal bei VW. Hier war die Frage zu klären, ob einem Käufer Ersatzansprüche zustünden, obwohl dieser einen mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Gebrauchtwagen erst nach Bekanntwerden des Abgasskandals gekauft habe.

Der Mann erwarb im August 2016 von einem Autohändler einen gebrauchten VW Touran, der mit einem 2,0-Liter-Dieselmotor des Typs EA189, Schadstoffnorm Euro 5, ausgestattet ist. Vor dem Erwerb des Fahrzeugs - und zwar am 22.09.2015 - hatte das Unternehmen in einer Pressemitteilung die Öffentlichkeit über Unregelmäßigkeiten der verwendeten Software informiert und mitgeteilt, dass sie daran arbeite, die Abweichungen zwischen Prüfstandswerten und realem Fahrbetrieb mit technischen Maßnahmen zu beseitigen, und hierzu mit dem Kraftfahrtbundesamt in Kontakt stehe. Mit seiner Klage verlangte der Käufer nun dennoch Ersatz des für das Fahrzeug bezahlten Kaufpreises nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs.

Doch der BGH entschied, dass dem Käufer gegenüber VW keine Ansprüche zustehen. Für die Bewertung eines schädigenden Verhaltens als sittenwidrig ist in einer Gesamtschau dessen Gesamtcharakter zu ermitteln und das gesamte Verhalten des Schädigers bis zum Eintritt des Schadens beim konkreten Geschädigten zugrunde zu legen. War das Verhalten von VW gegenüber Käufern, die ein mit einer illegalen Abschalteinrichtung versehenes Fahrzeug vor dem 22.09.2015 erwarben, sittenwidrig, war die Mitteilung von VW vom 22.09.2015 objektiv geeignet, die Arglosigkeit von Käufern zu beseitigen. Aufgrund der Verlautbarung und ihrer als sicher vorherzusehenden medialen Verbreitung war typischerweise nicht mehr damit zu rechnen, dass Käufer von gebrauchten VW-Fahrzeugen mit Dieselmotoren die Erfüllung der hier maßgeblichen gesetzlichen Vorgaben noch als selbstverständlich voraussetzen würden.

Hinweis: Der BGH stellt fest: Auf Arglosigkeit konnten sich Käufer nach dem 22.09.2015 nicht mehr berufen. Käufern, die sich erst für einen Kauf entschieden haben, nachdem VW sein Verhalten geändert hatte, wurde nicht sittenwidrig ein Schaden zugefügt - unabhängig von deren Kenntnissen vom "Dieselskandal" im Allgemeinen und ihren Vorstellungen von der Betroffenheit des Fahrzeugs im Besonderen.


Quelle: BGH, Urt. v. 30.07.2020 - VI ZR 5/20
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 10/2020)