Ehegattentestament: Schlusserbeneinsetzung entfällt, wenn Schlusserbe trotz Verwirkungsklausel den Pflichtteil verlangt
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Gemeinschaftliche testamentarische Verfügungen enthalten oft Klauseln, mit denen ein Pflichtteilsberechtigter auf seinen Pflichtteil begrenzt wird, falls er diesen nach dem Tod des Erstversterbenden geltend macht. Die sich gegenseitig einsetzenden Erben wollen damit sicherstellen, dass dem Überlebenden bis zu seinem Tod der Nachlass ungeschmälert verbleibt. Diesen Umstand logisch aufzulösen, war im folgenden komplexen Fall Aufgabe des Oberlandesgerichts Hamm (OLG).
Hier war ein Streit darüber entstanden, ob ein gemeinschaftliches handschriftliches Testament eine Schlusserbeneinsetzung beinhaltete. Die Erblasserin und ihr Mann hatten 1997 ein solches Testament errichtet und sich gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt. Im Jahr 2012 errichteten die Eheleute ein weiteres gemeinschaftliches Testament, in dem sie sich zu Alleinerben einsetzten und darüber hinaus verfügten, dass ein Haus an die Tochter bzw. nach deren Tod an deren Sohn (den Enkel der Erblasserin) gehen sollte. Ein weiteres Haus sollte an den Sohn der Beteiligten übergehen. Sollte eines der Kinder diesen gemeinsamen letzten Willen nicht anerkennen, verfügten sie ferner, dass dieses nur seinen Pflichtteil bekäme.
Im Jahr 2016 ermordete der Enkel seinen Großvater und wurde zu lebenslanger Haft verurteilt. Im gleichen Jahr verstarb auch die Mutter des Täters, Tochter der Erblasserin. Deren Witwer machte im eigenen Namen - aber auch für seinen im Gefängnis befindlichen Sohn - Pflichtteilsansprüche geltend. Im Jahr 2016 errichtete die Erblasserin ein notarielles Testament und setzte ihren Schwiegersohn zum Alleinerben ein. Das OLG musste sich mit der Frage beschäftigen, ob die ursprüngliche Verfügung der Eheleute bereits eine gemeinsame Schlusserbeneinsetzung beinhaltete, aufgrund derer die Erblasserin dann gehindert gewesen wäre, eine erneute davon abweichende Verfügung zu treffen.
Das OLG kam nach einer Auslegung des Testaments zu dem Ergebnis, dass die Eheleute in der Verfügung aus dem Jahr 2012 bereits gemeinsam eine Bestimmung der Schlusserben vorgenommen hatten. Zwar hatten sie seinerzeit nur verfügt, dass die Tochter eine Immobilie und der Sohn die andere erhalten solle. Hierbei handelte es sich aber nach Ansicht des Gerichts nicht um eine Vermächtnisanordnung, sondern vielmehr um eine Einsetzung der gemeinschaftlichen Kinder als Miterben, verbunden mit einer Teilungsanordnung. Es könne nicht angenommen werden, dass der Erblasser seinen gesamten wesentlichen Nachlass verteilt, ohne einen oder mehrere Erben einsetzen zu wollen. Dieses Auslegungsergebnis wird auch durch die Pflichtteilsstrafklausel gestützt. Eine solche ist nur dann sinnvoll, wenn die Erblasser davon ausgegangen waren, dass die Kinder als Schlusserben des überlebenden Ehegatten bestimmt worden sind.
Hinweis: Besonders im Erbrecht sind die Kläger oft auf die gerichtliche Interpretation des eigentlich Gemeinten angewiesen. Um das Risiko einer fehlerhaften Auslegung der letztwilligen Verfügung zu minimieren, ist eine klare Formulierung darüber, wer Schlusserbe sein soll, empfehlenswert.
Quelle: OLG Hamm, Beschl. v. 27.01.2021 - 10 W 71/20
zum Thema: | Erbrecht |
(aus: Ausgabe 04/2021)