Die Ausschlagung einer Erbschaft ist grundsätzlich eine bindende Erklärung. Nur in Ausnahmefällen soll der Ausschlagende noch die Möglichkeit haben, diese Erklärung durch eine Anfechtung nachträglich wieder zu beseitigen. Unter welchen besonderen Umständen dies möglich ist, war Gegenstand einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf (OLG).

Der Erblasser war im Jahr 2018 von der Polizei tot in einer völlig vermüllten und verdreckten Wohnung aufgefunden worden. Die Bestattung ist aus öffentlicher Hand gezahlt worden. Der potentielle Erbe wurde von der Polizei ermittelt, die ihm davon abgeraten hatte, sich um die Räumung der Wohnung zu kümmern, da diese sich in einem "erbarmungswürdigen" Zustand befunden habe und umherliegende Rechnungen und Mahnungen darauf hindeuten würden, dass erhebliche Nachlassverbindlichkeiten bestünden. Werthaltige Gegenstände haben sich laut Polizei nicht in der Wohnung befunden. Dem potentiellen Erben war durch das Nachlassgericht bekannt, dass Nachlassverbindlichkeiten bestanden und die Bezahlung der Bestattung durch die öffentliche Hand erfolgt ist.

Nachdem der potentielle Erbe die Ausschlagung der Erbschaft erklärt hatte, wurde er allerdings davon in Kenntnis gesetzt, dass der Erblasser über ein nicht unerhebliches Vermögen verfügte. Nunmehr erklärte er die Anfechtung der Erbschaftsausschlagungserklärung mit der Begründung, dass er sich über die Werthaltigkeit des Nachlasses geirrt habe, und beantragte einen entsprechenden Erbschein. Das Nachlassgericht wies diesen Antrag jedoch unter Hinweis auf die Erbschaftsausschlagung zurück. Es handele sich um einen unbeachtlichen Motivirrtum, da er die Ausschlagung der Erbschaft auf der Basis einer ungesicherten spekulativen Grundlage erklärt habe.

Das OLG war hingegen durchaus der Ansicht, dass der Erbe die Ausschlagungserklärung wirksam angefochten habe. Ist ein möglicher Erbe aufgrund der von ihm in Erfahrung gebrachten Tatsachen zu der Vorstellung gelangt, im Nachlass befänden sich ausschließlich Verbindlichkeiten, hat er sich nicht lediglich von Spekulationen, sondern von der Überzeugung einer Überschuldung leiten lassen. Stellt sich anschließend die Werthaltigkeit des Nachlasses heraus, besteht wie hier die Möglichkeit, die Ausschlagungserklärung wegen eines Eigenschaftsirrtums anzufechten.

Hinweis: Glück gehabt! Dieser Fall legt aber nahe, sich vor Ausschlagung einer Erbschaft zuerst Kenntnisse über den Bestand zu verschaffen - am besten mithilfe einer entsprechenden Rechtskraft. Wären die Auskunftsgeber keine Polizisten gewesen, denen Bürger in der Regel ein grundlegendes Vertrauen entgegenbringen, hätte der Fall durchaus anders ausgehen können.


Quelle: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.11.2020 - 3 Wx 166/20
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 02/2021)