Gutachten bei Härteeinwand: Vorlage ärztlicher Atteste allein reicht nicht gegen Räumungsklage wegen Eigenbedarfs aus
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Im Ausnahmefall kann ein Mieter sich gegen eine Räumung mit gesundheitlichen Problemen wehren, die durch den Auszug auftreten könnten. Doch sich allein auf vorgelegte Atteste zu verlassen, reicht hierfür künftig nicht aus. Wie in solchen Fällen in Zukunft vorzugehen ist, hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden.
In dem Fall ging es um die Eigenbedarfskündigung einer Mietwohnung, in die die Tochter des Eigentümers einziehen sollte, um nach dem Abitur einen eigenen Hausstand zu gründen. Der 67-jährige Mieter widersprach der Kündigung und berief sich auf gesundheitliche Härtegründe. Er sei nach 30 Jahren im Mietverhältnis zu fest mit der Umgebung verwurzelt. Atteste wiesen auf seine Depression mit Suizidversuchen hin, die auch Magen-, Herz- und Kreislaufbeschwerden verursache. Zudem bescheinigten sie dem Mann eine Räumungsunfähigkeit, weil der Mieter "aus medizinisch-orthopädischer Sicht außerstande sei, Gegenstände mit einem Gewicht über zehn Kilogramm zu heben". Das Landgericht (LG) wies nach einem ersten Urteil durch das Amtsgericht zugunsten des Mieters die Berufung zurück und begründete seine Entscheidung, die Beendigung des Mietverhältnisses würde für den Beklagten wegen seines fortgeschrittenen Alters und seiner schlechten gesundheitlichen Verfassung eine nicht zu rechtfertigende Härte bedeuten.
Schließlich ging die Angelegenheit bis zum BGH, der das vorinstanzliche Urteil aufhob und die Angelegenheit zur erneuten Entscheidung an das LG zurückverwies. Das vorinstanzliche Gericht hätte ein Sachverständigengutachten zu der Art, dem Umfang und den konkreten Auswirkungen der behaupteten Erkrankungen des Mieters vornehmen müssen. Es hätte sich nicht nur alleine auf die vom Mieter vorgelegten Atteste stützen dürfen. Konkret heißt es in der Grundsatzentscheidung, dass künftig ein Sachverständigengutachten "zu der Art, dem Umfang und den konkreten Auswirkungen der vom Beklagten behaupteten Erkrankungen auf dessen Lebensführung im Allgemeinen und im Falle des Verlusts der vertrauten Umgebung" eingeholt werden müsse.
Hinweis: Alleine die Vorlage eines ärztlichen Attests reicht also nicht aus, um eine Eigenbedarfskündigung erfolgreich abzuwehren. Trotzdem ist ein solches Attest wichtig, um erste Anhaltspunkte zu haben, ob und weshalb eine Räumung der Mietwohnung nicht möglich ist. Den eigenen Arzt mit ins Boot zu holen, ist für Mieter stets von Vorteil. Künftig werden die Gerichte in solchen Fällen zusätzlich ein (teures) Sachverständigengutachten einholen müssen.
Quelle: BGH, Urt. v. 28.04.2021 - VIII ZR 6/19
zum Thema: | Mietrecht |
(aus: Ausgabe 08/2021)