Zum Nachlass von Verstorbenen gehören inzwischen auch verstärkt digitale Inhalte wie E-Mail-Konten und Social-Media-Profile. Der Umgang damit und die erbrechtliche Einordnung dieser Inhalte waren in der Rechtsprechung jedoch lang ungeklärt - bis jetzt.

Eine 15-Jährige wurde unter ungeklärten Umständen von einer U-Bahn erfasst und verstarb. Ihre Eltern erhofften sich aus den Einträgen auf dem Facebook-Profil Aufklärung darüber, ob es sich tatsächlich um einen Unfall oder gar um einen Suizid gehandelt hatte. Obwohl sie über das Passwort der Tochter verfügten, verweigerte ihnen Facebook jedoch den Zugriff, weil das Profil in einen sogenannten Gedenkzustand versetzt wurde. Dieser Gedenkzustand verhindert, dass alle bisherigen Einträge gelesen werden können. Um Klarheit über den Zustand ihrer Tochter vor deren Tod zu erlangen, stritten die Eltern über das Recht auf den Datenzugang jahrelang mit Facebook vor Gericht - mit unterschiedlichen Ergebnissen.

Das Gericht der ersten Instanz ging davon aus, dass die Eltern als Gesamtrechtsnachfolger das Facebook-Profil wie alle anderen Vermögensgegenstände auch geerbt hätten und somit die Daten einsehen dürften. Das Berufungsgericht stellte hingegen darauf ab, dass das Fernmeldegeheimnis in einem solchen Fall zum Tragen käme und die anderen Nutzer, die Einträge auf dem Profil des Mädchens hinterlassen haben - also die Freunde der Verstorbenen - schützt. Somit hätten die Eltern kein Recht darauf, eben jene Einträge zu lesen.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat nun jedoch entschieden, dass der Vertrag über ein Benutzerkonto bei einem sozialen Netzwerk grundsätzlich im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die Erben des ursprünglichen Kontoberechtigten übergeht und diese einen Anspruch gegen den Netzwerkbetreiber auf Zugang zu dem Konto einschließlich der darin vorgehaltenen Kommunikationsinhalte haben. Weder das Fernmeldegeheimnis noch der Datenschutz stehen dem nach Auffassung des BGH entgegen. Die Übermittlung und Bereitstellung von Nachrichten und sonstigen Inhalten ist kontobezogen, wird also nicht an eine bestimmte Person übermittelt, sondern an das angegebene Benutzerkonto. Der Absender einer Nachricht kann dementsprechend zwar darauf vertrauen, dass der Netzwerkbetreiber sie nur für das von ihm ausgewählte Benutzerkonto zur Verfügung stellt - es besteht aber kein schutzwürdiges Vertrauen darauf, dass nur der Kontoinhaber und nicht Dritte von dem Kontoinhalt Kenntnis erlangen. Zu Lebzeiten muss mit einem Missbrauch des Zugangs durch Dritte oder mit der Zugangsgewährung seitens des Kontoberechtigten gerechnet werden und bei dessen Tod ebenso mit der Vererbung des Vertragsverhältnisses. Der BGH stellte auch nochmals klar, dass eine Differenzierung des Kontozugangs nach vermögenswerten und höchstpersönlichen Inhalten ausscheidet, da auch Rechtspositionen mit höchstpersönlichen Inhalten auf die Erben übergehen - wie etwa Tagebücher oder persönliche Briefe. Es besteht aus erbrechtlicher Sicht kein Grund dafür, digitale Inhalte in solchen Fällen anders zu behandeln.

Hinweis: Der Umgang der verschiedenen Anbieter mit den Konten ihrer Kunden ist im Todesfall unterschiedlich. Während Facebook den Zugang verweigert und auf den Gedenkzustand setzt, gewähren andere den Zugang, sofern ein Erbschein vorgelegt wird oder die Person vorab als Vertrauensperson hinterlegt wurde. Der BGH hat im vorliegenden Urteil zusätzlich darauf hingewiesen, dass die Klauseln zum Gedenkzustand einer AGB-Inhaltskontrolle nicht standhalten und daher unwirksam sind.


Quelle: BGH, Urt. v. 12.07.2018 - III ZR 183/17
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 08/2018)