Unterhaltskasse geht leer aus: Staatskasse kann keinen Regress gegen gutverdienende Großeltern geltend machen
- Kategorie: Aktuelles
Wenn unterhaltspflichtige Eltern den Mindestunterhalt nicht aufbringen können, lohnt sich der Blick in die Generation der Großeltern. Doch dass selbst dann unter gewissen Umständen nichts für den Unterhaltsberechtigten dabei herauskommt, zeigt das folgende Urteil des Bundesgerichtshofs.
Im Fall aus Leipzig konnte der Kindesvater unter Beachtung seines angemessenen Selbstbehalts nur 100 EUR Kindesunterhalt aufbringen - den Rest übernahm die Unterhaltsvorschusskasse. Diese wollte den Vater in Regress nehmen, weil ihm nur der notwendige Selbstbehalt verbleiben dürfe.
Es ging dabei bereits im vom Oberlandesgericht Dresden behandelten Fall um die Rechtsfrage, ob die sogenannte gesteigerte Unterhaltspflicht der Eltern gegenüber ihren minderjährigen Kindern auch dann bestehe, wenn finanziell leistungsfähige Großeltern vorhanden seien. Diese Frage ist unter anderem dafür von Bedeutung, ob ein erwerbstätiger Elternteil für den Kindesunterhalt sein oberhalb des notwendigen Selbstbehalts (derzeit 1.160 EUR) liegendes Einkommen einzusetzen hat oder nur das Einkommen oberhalb des angemessenen Selbstbehalts (derzeit 1.400 EUR).
Verwandte in gerader Linie haben einander Unterhalt zu gewähren, wobei die Unterhaltspflicht der Eltern für ihre Kinder derjenigen der Großeltern für ihre Enkel vorgeht. Unterhaltspflichtig ist nicht, wer seinen angemessenen Unterhalt gefährden würde; der daraus abgeleitete angemessene Selbstbehalt eines Elternteils gegenüber seinem Kind betrug seinerzeit 1.300 EUR. Allerdings trifft Eltern minderjähriger Kinder eine gesteigerte Unterhaltspflicht, weshalb ihnen insoweit nur der notwendige Selbstbehalt von seinerzeit 1.080 EUR zusteht. Diese gesteigerte Verpflichtung tritt jedoch dann nicht ein, wenn ein anderer unterhaltspflichtiger Verwandter vorhanden ist.
Mit Erfolg verwies der Kindesvater hier daher auf seine Eltern. Diese verdienten als Polizeibeamter bzw. Postzustellerin knapp 3.500 EUR und 2.300 EUR netto monatlich - ohne nennenswerte Abzugspositionen. Damit war der Großvater auch mit einem erweiterten Sockelselbstbehalt (seinerzeit 1.800 EUR zzgl. der Hälfte des übersteigenden Einkommens wie beim Elternunterhalt) leistungsfähig und kam mit der "Ersatzhaftung" zugunsten des Kindesvaters in Betracht.
Das führte dazu, dass für den Kindesvater die Grundsätze der gesteigerten Unterhaltspflicht nicht griffen. Er konnte sich mit dem Hinweis auf die Leistungsfähigkeit der eigenen Eltern gegen Ansprüche der Unterhaltsvorschusskasse wehren. Dazu musste er auch nicht darlegen, ob auch die Großeltern mütterlicherseits leistungsfähig wären. Für den Ausschluss der erweiterten Unterhaltspflicht genüge es, dass der barunterhaltspflichtige Elternteil einen anderen unterhaltspflichtigen Verwandten nachweist. Der Clou: Wegen der Unmöglichkeit des Regresses der Staatskasse gegen die Großeltern diente der Vortrag lediglich zur Erhöhung des Selbstbehalts des Kindesvaters selbst - nicht jedoch dazu, dass die Großeltern wirklich etwas zahlen mussten. Dass dies dem Gesetzgeber beim Erlass des Unterhaltsvorschussgesetzes möglicherweise nicht bewusst war, spielte hierbei keine Rolle.
Hinweis: Wäre der Anspruch nicht auf die Unterhaltsvorschusskasse übergegangen, hätten die Großeltern den Unterhalt gegebenenfalls zahlen müssen.
Quelle: BGH, Beschl. v. 27.10.2021 - XII ZB 123/21
zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 12/2021)