Bei einer gemeinsamen Trainingsfahrt mit dem Fahrrad liegt dann ein wechselseitiger Haftungsverzicht vor, wenn sich bei dem Unfall "das typische Risiko der gemeinsamen Trainingsfahrt im Pulk" realisiert hat. So weit, so gut. Wie sich so eine Verklausulierung aus Laiensicht auf den Realfall auswirkt, zeigt anschaulich der folgende Fall, den das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) zu bewerten hatte.

Eine insgesamt aus 17 Fahrradfahrern bestehende Gruppe unternahm eine Fahrradtour. Der spätere Beklagte überholte zwei nebeneinander vor ihm fahrende Radfahrer. Hierbei geriet er auf den unbefestigten Seitenstreifen des befahrenen Radwegs, wobei es dann zur folgenreichen Berührung der nebeneinander fahrenden Radfahrer kam. Bei dem folgenden Sturz zog sich einer dieser Radfahrer erhebliche Verletzungen zu. Dessen Arbeitgeber machte daraufhin dem unfallverursachenden Radfahrer gegenüber Schadens- und Schmerzensgeldansprüche geltend.

Das OLG ging in der Tat von einer vollen Haftung des überholenden Radfahrers aus, da er beim Überholen keinen ausreichenden Sicherheitsabstand eingehalten hatte. Die Haftung ist auch nicht nach den vom Bundesgerichtshof (BGH) aufgestellten Grundsätzen beschränkt, die bei der gemeinsamen Ausübung gefährlicher Sportarten zur Anwendung kommt. Diese Grundsätze besagen nämlich, dass bei sportlichen Wettbewerben mit nicht unerheblichem Gefahrenpotential auch bei voller Regelbeachtung Verletzungen nicht ausgeschlossen werden können. In solchen Fällen sei die Inanspruchnahme des Schädigenden für Schäden eines Mitbewerbers daher auch ausgeschlossen, sofern er diese ohne gewichtige Regelverletzung verursacht habe.

Nach Auffassung des OLG hatte sich hier jedoch das typische Risiko der Trainingsfahrt - des Fahrens im Pulk und im Windschatten mit geringem Abstand der hintereinander und nebeneinander fahrenden Teilnehmer - nicht verwirklicht, so dass die beschriebene Haftungsbeschränkung nicht angenommen werden konnte. Vielmehr hatte sich die Teilnehmergruppe bereits auseinandergezogen - es war eine ruhige Phase der gemeinsamen Ausfahrt eingetreten. In dieser Situation fehlt es nach Auffassung des OLG an der für die Haftungsbeschränkung typischen Situation des engen Fahrens in einer Gruppe, bei der jeder Teilnehmer weiß, dass er bei einem Sturz des Vordermanns oder einer Ungeschicklichkeit des Nebenmanns nicht ausweichen oder anhalten könne.

Hinweis: Die vom BGH aufgestellten Grundsätze gelten auch beim Radfahren im Pulk bei einer Trainingsfahrt und bei organisierten Radtouristikfahrten. Grundsätzlich kommt auch bei Unfällen unter Radfahrern auf Trainingsfahrten ein Haftungsausschluss in Betracht. Nach der Entscheidung des OLG ist jedoch zu klären, ob sich das typische Risiko einer Trainingsfahrt verwirklicht habe.


Quelle: OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 12.03.2020 - 1 U 31/19
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 07/2020)