Das folgende Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart (OLG) dürfte Bauvorhaben in Baden-Württemberg künftig noch zäher gestalten als bislang schon. Denn was als augenscheinlicher Nachbarschaftsstreit wegen eines überschwenkenden Kranauslegers angefangen hat, kann sich landesweit auswirken.

Ausgangspunkt war der Streit zweier Nachbarn über den Abbruch und den Neubau eines Hauses. Nach Erhalt der Baugenehmigung für zwei Doppelhäuser und vier Garagen stellte der eine Nachbar einen 18 m hohen Kran mit einem 28 m langen Ausleger auf der Grundstücksgrenze auf. Der Ausleger überschwenkte mehrfach und für längere Zeit mit und ohne Last den Luftraum über dem Grundstück des anderen Nachbarn. Einmal blieb der Kran mit schweren Betonfertigteilen in der Oberleitung hängen, die auch das Nachbargrundstück mit Strom versorgte. Dadurch wurde unter anderem das Dachgeschoss des Nachbarn erschüttert. Daraufhin zog der Nachbar mit dem Antrag einer einstweiligen Verfügung vor das Gericht.

Zwar gibt es laut OLG ein sogenanntes Hammerschlags- und Leiterrecht, aus dem sich eine Duldungspflicht für das Überschwenken des Auslegers des Krans für den Nachbarn ergibt. Für den konkreten Fall ergibt sich dieses aus § 7d Nachbarschaftsgesetze Baden-Württemberg. Aber nach diesen gesetzlichen Vorgaben hätten die Bauherren das Benutzen des Nachbargrundstücks durch Überschwenken des Krans zwei Wochen vor der Benutzung anzeigen müssen - und genau das war nicht erfolgt. Doch selbst angenommen, alles wäre ordnungsgemäß angezeigt worden: Hätte der Nachbar dem Überschwenken nicht zugestimmt, hätten die Bauherren erst eine Duldungsklage erheben müssen und auch dann ihr Recht nicht im Wege der Selbsthilfe durchsetzen dürfen.

Hinweis: Es handelt sich um eine höchst unbefriedigende Entscheidung für die Baupraxis. Künftig kann ein jeder - zumindest in Baden-Württemberg - ein Bauvorhaben aufhalten, indem er das Überschwenken eines Krans nicht duldet. Bauherren ist also künftig ein noch längerer Atem anzuraten.


Quelle: OLG Stuttgart, Urt. v. 31.08.2022 - 4 U 74/22
zum Thema: Mietrecht

(aus: Ausgabe 12/2022)