Ob unterschiedliche Bewertungen nackter Oberkörper oder eine für unsere Werte sehr tolerante Interpretation der geschriebenen Meinung(sfreiheit) - Facebook, Twitter und Konsorten lassen uns deutsche User oftmals ratlos zurück. Dass aber selbst US-Medienkonzerne nicht alles mit ihren Mitgliedern machen können, was sie wollen, zeigt das folgende Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth (LG).

Ein Selbständiger hatte einen Twitter-Account, den er auch für seine beruflichen Tätigkeiten benötigte. Anlässlich der letzten Wahlen veröffentlichte er folgenden Tweet: "Aktueller Anlass: Dringende Wahlempfehlung für alle AfD-Wähler. Unbedingt den Stimmzettel unterschreiben. ;-)". Das sollte natürlich Satire sein, da Stimmzettel nicht unterschrieben werden dürfen - dieser Umstand würde sie unwirksam machen. Trotzdem wurde der Mann von Twitter gesperrt, so dass er keine neuen Tweets veröffentlichen konnte. Dagegen beantragte er erfolgreich den Erlass einer einstweiligen Verfügung.

Twitter wurde durch das Urteil des LG untersagt, den Account befristet zu sperren. Zwischen den Parteien bestand ein Vertrag über die Nutzung der Plattform Twitter. Twitter hat zwar ein virtuelles Hausrecht und kann Benutzungsregelungen aufstellen - allerdings finden diese Regelungen ihre Grenze in der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte und hier insbesondere in der Meinungsäußerungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG. Die Äußerungen des Mannes waren ein bloßes Werturteil und satirisch gemeint. Als bloßes Werturteil war der Tweet von dem Grundrecht der Meinungsfreiheit umfasst.

Hinweis: Die Sperrung eines Twitter-Accounts aufgrund eines Tweets, bei dem es sich um ein bloßes Werturteil handelt, ist also rechtswidrig. Auch wenn sich nur die Wenigsten gegen eine Sperrung gerichtlich zur Wehr setzen, sind die Erfolgsaussichten jedoch in vergleichbaren Fällen gut.


Quelle: LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 07.06.2019 - 11 O 3362/19
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 10/2019)